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Mobilität junger Menschen im Wandel 2011

Das (eigene) Auto verliert an Stellenwert

Mobilität junger Menschen im Wandel 2011

Das Institut für Mobilitätsforschung (ifmo) hat 2011 eine Studie herausgegeben, die die veränderten Mobilitätsvorstellungen junger Menschen in Deutschland und ausgewählten Industrieländern untersucht. Wie in ähnlichen Studien anderer Autoren wurde auch hier festgestellt, dass das Auto an Anziehungskraft für junge Erwachsene verliert. Dies betrifft sowohl den Autobesitz als auch die Autonutzung in der Bevölkerungsgruppe der 18- bis 30-Jährigen. Dabei ist die vorliegende Studie deshalb besonders aufschlussreich, weil das ifmo als Auftraggeber eine Forschungseinrichtung des BMW-Konzerns ist.

Folgerichtig hat sich der BMW-Konzern inzwischen mit einem eigenen CarSharing-Angebot auf dem Markt positioniert, getreu dem Motto: „Wenn ich einen Trend schon nicht aufhalten kann, will ich wenigstens davon profitieren“.

Für die Untersuchung werden zahlreiche bereits bestehende Datenquellen herangezogen und gezielt für die vorliegende Fragestellung ausgewertet.

Internationale Entwicklungen

Im ersten Teil der Studie werden die Trends des Mobilitätsverhaltens junger Erwachsener in Frankreich, Großbritannien, Norwegen, den USA und Japan mit denen in Deutschland verglichen.

Während in den meisten Vergleichsländern der Anteil der Führerscheinbesitzer unter den jungen Erwachsenen im Laufe der letzten etwa 10 Jahre deutlich zurückgegangen ist, stagniert der Anteil der jugendlichen Führerscheinbesitzer in Deutschland auf hohem Niveau. Demgegenüber sinkt die Pkw-Verfügbarkeit der jungen Erwachsenen in Deutschland von 83 % im Jahre 1997 auf 72 % in 2007. Bis auf Japan zeigen auch die anderen Vergleichsländer einen ähnlichen Trend, jedoch fällt der Rückgang hier nicht so deutlich aus. Die deutschen jungen Erwachsenen nutzen 2007 gegenüber 1997 doppelt so häufig den ÖPNV auf ihren Alltagswegen (18 % gegenüber 9 %) und haben auch ihren Anteil von Fahrrad- und Fußwegen um 5 Prozentpunkte gesteigert. Dies geht zu Lasten der regelmäßigen Autonutzung, auf das Auto wird 2007 nur noch bei 52 % der Wege zurückgegriffen, gegenüber 67 % 1997. In vielen Ländern ist der Anteil des Autos an allen Wegen stärker zurückgegangen als der Anteil der Autobesitzer in der Altersgruppe. In der Detailanalyse zeigt sich, dass besonders die jungen Autofahrer in Deutschland ihr Verkehrsverhalten geändert haben und immer öfter den ÖPNV gelegentlich nutzen. Junge Autofahrer werden also zunehmend multimodal.

Die Rückgänge der Pkw-Verfügbarkeit und der Pkw-Nutzung schlagen sich auch in den zurückgelegten Pkw-Fahrleistungen nieder. Etwa Ende der 90er Jahre ist in vielen der Vergleichsländer eine Trendumkehr zu beobachten, die vorher stetig ansteigende Linie der Pkw-Fahrleistungen nimmt bis auf Frankreich und Norwegen seitdem einen rückläufigen Verlauf. Gerade in Deutschland und Großbritannien ist der Trendbruch bei den Pkw-Fahrleistungen deutlich zu erkennen, während der ÖPNV dies aufgefangen hat und bei den jungen Erwachsenen in beiden Ländern deutliche Zuwächse hat. Jetzt fahren sogar junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und Jahren mehr mit dem ÖPNV als die Altersgruppe der 10- bis 20-Jährigen.

In den 70er und 80er Jahren waren die Pkw-Fahrleistungen in allen Vergleichsländern bei jungen Männern immer deutlich höher als bei jungen Frauen. Dieser Unterschied ist in Deutschland und den USA inzwischen aufgehoben. Junge Männer und Frauen haben 2007 bzw. 2008 hier die gleichen Pkw-Fahrleistungen, die zudem sowohl bei Männern als auch bei Frauen jeweils niedriger liegen als die vergleichbaren Fahrleistungen 1997 bzw. 2001. Für Deutschland, Großbritannien und den USA wird die Abnahme der Pkw-Fahrleistungen junger Erwachsenen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land festgestellt.

Vertiefte Ursachenanalyse bei jungen Erwachsenen in Deutschland

Um die Ursachen der oben aufgezeigten Trendumbrüche genauer beschreiben zu können, werden im zweiten Teil der Studie die deutschen Daten aus den Jahren 1998 und 2008 noch einmal gesondert analysiert. Schrittweise wird untersucht, welche Veränderungen sich ergeben würden, wenn jeweils nur ein Parameter verändert wird und alle anderen Komponenten des Verkehrsverhaltens gleich blieben.

  • Der Rückgang des Autobesitzes in Haushalten mit jungen Erwachsenen macht 27 % des Anteils am Fahrleistungsrückgang junger Erwachsener aus, das entspricht einem Rückgang von wöchentlich 16 km Pkw-Fahrleistung.
  • Das Mobilitätsverhalten von Personen ohne Pkw hat einen Einfluss von 8 % oder minus 5 km wöchentlich auf die Pkw-Fahrleistung. Auch diese Personen nutzen von Fall zu Fall das Auto, hauptsächlich als Mitfahrer und auf längeren Strecken, jedoch nicht so häufig wie früher.
  • Personen, die in Haushalten mit Pkw leben, tragen zu 24 % - oder 14 km wöchentlich - zum Fahrleistungsrückgang bei, weil sie ihre Pkw-Fahrleistung gegenüber 1998 verringert haben.
  • Einen noch größeren Beitrag leisten jedoch Personen, die in Haushalten mit Auto leben, weil sie immer häufiger andere Verkehrsmittel als den verfügbaren Pkw nutzen. Dieser Beitrag macht 41 % am Fahrleistungsrückgang junger Erwachsener aus, minus 24 km wöchentlich.

Änderung im Pkw-Besitz junger Erwachsener und Veränderungen in der Verkehrsmittelwahl sind also entscheidend für den Rückgang der Pkw-Fahrleistungen in Deutschland verantwortlich. Und hier ergeben sich insbesondere in der Lebensphase zwischen dem Auszug aus dem Elternhaushalt und der Gründung einer eigenen Familie die größten Veränderungen gegenüber früher. Es wird eine Studie des Deutschen Studentenwerks zitiert, nach der 2009 nur noch ein Drittel (34 %) der Studenten Ausgaben für ein (eigenes) Auto aufweist, während es 1991 noch über die Hälfte (54 %) war.

Bedeutung der Sozioökonomie für den Pkw-Besitz junger Haushalte

Welche Merkmale haben Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit des Pkw-Besitzes junger Haushalte?

  • Einkommen: Die Einkommen pro Person sind in jungen Haushalten zwischen 1998 und 2008 zurückgegangen. Da Haushalte mit höherem Einkommen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, einen Pkw zu besitzen, sinkt die Pkw-Wahrscheinlichkeit.
  • Ballungsräume: 2008 lebten junge Haushalte häufiger in Ballungsräumen als 1998 (53 % gegenüber 50 %). Damit fällt die Pkw-Besitzwahrscheinlichkeit.
  • Erwerbstätigkeit: Haushalte ohne erwerbstätigen Haupteinkommensbezieher haben eine geringere Pkw-Besitzwahrscheinlichkeit als solche mit einem erwerbstätigen Haupteinkommensbezieher. Auch der Rückgang der Erwerbstätigkeit unter den jungen Haushalten trägt zur Abkehr vom Autobesitz bei.
  • Einpersonenhaushalte: 1998 waren 31 % der jungen Haushalte Einpersonenhaushalte, 2008 waren es 41 %, ein weiterer Beitrag zur niedrigeren Autobesitzwahrscheinlichkeit.
  • Akademiker: Akademikerhaushalte haben eine geringere Pkw-Besitzwahrscheinlichkeit als Nichtakademikerhaushalte. Der Anteil der Akademikerhaushalte unter den jungen Haushalten stieg um 2 Prozentpunkte.
  • Geschlecht: Zwar ist der Anteil mit männlichem Haupteinkommensbezieher seit 1998 um 8 Prozentpunkte gefallen. Jedoch ist der geschlechtsspezifische Unterschied in Bezug auf den Pkw-Besitz fast ganz verschwunden. Dieses Merkmal trägt also nur noch wenig zur Differenzierung bei.

Veränderungen der Verhaltenspräferenzen junger Pkw-Besitzer

Der Pkw-Besitz junger Haushalte ist von 80 % 1998 auf 72 % 2008 zurückgegangen. 5 Prozentpunkte sind auf die sozioökonomischen Merkmale der jungen Haushalte zurückzuführen. Die restlichen 3 Prozentpunkte sind veränderten Präferenzen (eigene Entscheidungen über den Pkw-Besitz) geschuldet. Dies wird abschließend in der Analyse des Verkehrsverhaltens von jungen Autobesitzern überprüft.

Die Gesamtverkehrsleistung junger Pkw-Besitzer ist zurückgegangen. Obwohl weibliche Pkw-Besitzer um 25 km pro Woche mit allen Verkehrsmitteln zulegten, machte der Rückgang aller Personen in dieser Gruppe 19 km pro Woche aus.

Die Bedeutung der Verkehrszwecke Arbeit, Einkauf und Freizeit für die Verkehrsnachfrage (gefahrene Kilometer mit allen Verkehrsmitteln) ging zurück und konnte durch den Anstieg im Verkehrszweck Ausbildung nicht ausgeglichen werden. Unterm Strich ist also die Verkehrsnachfrage junger Pkw-Besitzer zurückgegangen. Zudem wird in der Gruppe der Pkw-Besitzer eine erhöhter Wegeanteil mit dem Fahrrad (von 6 % auf 9 %) und dem ÖPNV (von 7 % auf 10 %) beobachtet. Der Pkw-Anteil geht auch in der Gruppe junger Pkw-Besitzer von 72 % auf 65 % zurück. Der Pkw-Besetzungsgrad steigt bei jungen Männern von 1,18 auf 1,25. Das bedeutet, dass auch die jungen männlichen Pkw-Besitzer öfter als Beifahrer in das Auto anderer steigen. Ein Fünftel des Rückgangs der Pkw-Verkehrsleistungen junger Pkw-Besitzer ist auf sozioökonomische Veränderungen zurückzuführen. Der große Rest ergibt sich aus deutlichen Verhaltensänderungen, vor allem der jungen autobesitzenden Männer.

Anmerkung

Die Studie hat Verhaltensänderungen von jungen Erwachsenen bis zum 30. Lebensjahr untersucht. Bei Personen ab Mitte 30 lässt sich nach Aussage der Autoren keine Abkehr vom autoorientierten Lebensstil erkennen, die Lebensumstände dieser Altersgruppe lässt sich mit der Phase der Familiengründung beschreiben. Wie sich in dieser Altersgruppe die Haltung zum eigenen Auto in Zukunft entwickeln wird, ist noch offen.

Willi Loose, 05.10.2012

Quelle: Institut für Mobilitätsforschung (Hrsg.): Mobilität junger Menschen im Wandel – multimodaler und weiblicher. ifmo-Studien. München 2011

 

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PDF: ifmo-Studie "Mobilitaet junger Menschen im Wandel"