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Neue Studie: CarSharing-Varianten entlasten Innenstädte unterschiedlich stark vom privaten Pkw

Verschiedene CarSharing-Varianten wirken sich auf Pkw-Besitz und Pkw-Nutzung sehr unterschiedlich aus. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Vergleichsstudie des Bundesverband CarSharing e.V. Vor allem das stationsbasierte CarSharing trägt demnach zur Abschaffung von privaten Pkw bei. Free-floating CarSharing hat hingegen kaum verkehrsentlastende Wirkung. Bemerkenswert ist, dass kombinierte Systeme, die free-floating und stationsbasiertes CarSharing aus einer Hand anbieten, ebenfalls deutlich positiv wirken.

Laut der neuen Studie besitzen über 80 Prozent der Haushalte, die in innerstädtischen Wohnquartieren wohnen und stationsbasiertes CarSharing nutzen, kein eigenes Auto mehr. Der Autobestand reduzierte sich in diesen Haushalten um insgesamt 66 Prozent. Pro 1.000 Personen besitzen die Kunden des stationsbasierten CarSharing nur noch 108 Pkw. Ihr Autobesitz liegt damit bereits weit unter der Zielmarke von 150 Pkw pro 1.000 Personen, die das Umweltbundesamt für einen klima- und umweltgerechten Stadtverkehr der Zukunft anstrebt.

Ganz andere Ergebnisse stellt die Studie bei den Nutzern von free-floating CarSharing fest, die in denselben innerstädtischen Gebieten leben: Hier liegt der Anteil autofreier Haushalte bei lediglich 32 Prozent. Auf 1.000 Personen kommen erhebliche 485 private Pkw. In den Monaten vor der Anmeldung wurden zwar 18 Prozent des ursprünglich vorhandenen Autobestandes abgeschafft, während der Teilnahme am free-floating CarSharing stieg der Pkw-Bestand jedoch wieder auf 95 Prozent des ursprünglichen Ausgangsbestandes an.

Gunnar Nehrke, Geschäftsführer des Bundesverband CarSharing e.V., kommentiert:

„CarSharing ist nicht gleich CarSharing. Stationsbasiertes CarSharing ist in der Lage, die Belastung der Städte und Kommunen durch den Auto-Verkehr zu reduzieren. Free-floating CarSharing wird hingegen oft als Ergänzung zum privaten Auto genutzt. Städte und Kommunen sollten diese Unterschiede bei der Förderung bedenken.“

Die neue Studie des Verbands bezieht sich auf innerstädtische Wohngebiete mit optimalem CarSharing-Angebot und optimaler Anbindung an den ÖPNV. Ziel war es, die Wirkung der verschiedenen CarSharing-Varianten dort zu untersuchen, wo die Bedingungen für eine möglichst autofreie Mobilität für alle CarSharing-Kunden bereits vergleichsweise gut sind.

Systemunterschiede und Einstellungen der Nutzer beeinflussen die entlastende Wirkung

Um privaten Pkw-Besitz zu reduzieren, muss das CarSharing-Angebot alle Nutzungszwecke für ein Auto abdecken. In diesem Punkt stieß die Studie auf deutliche Unterschiede zwischen den Varianten: Dass CarSharing ein eigenes Auto vollwertig ersetzen kann, glauben nur 33 Prozent der Kunden von free-floating Angeboten, 43 Prozent lehnen diese Aussage ab. Bei den stationsbasierten Angeboten sind demgegenüber 63 Prozent der Kunden der Meinung, dass CarSharing ein privates Auto ersetzt, lediglich 15 Prozent sind gegenteiliger Meinung. Nehrke erläutert:

„Stationsbasiertes CarSharing deckt die klassischen Nutzungszwecke für einen Pkw ab. Dazu zählen etwa Großeinkäufe oder Ausflüge am Wochenende. Free-floating CarSharing ist für solche Zwecke hingegen nicht optimal geeignet. Viele Nutzer setzen diese Variante daher nur für innerstädtische Kurzfahrten ein, etwa für abendliche Restaurantbesuche. Parallel halten diese Nutzer dann für andere Fahrtzwecke eher am eigenen Auto fest.“

Ein weiterer Grund für die unterschiedliche entlastende Wirkung der CarSharing-Varianten scheint aber auch die sehr unterschiedliche emotionale Einstellung der CarSharing-Kunden zum Auto zu sein: 77 Prozent der Nutzer von free-floating Angeboten stimmen der Aussage zu, dass Autofahren Spaß mache. Bei den Nutzern des stationsbasierten CarSharing sehen das nur 39 Prozent so. Geschäftsführer Nehrke kommentiert:

„Free-floating CarSharing zieht besonders Auto-affine Zielgruppen an. Das ist für die weitere Expansion des CarSharing eine durchaus interessante Eigenschaft. In Zukunft muss die Frage lauten: Wie können wir die Kunden des Free-floating davon überzeugen, ganz ins CarSharing einzusteigen und den privaten Pkw aufzugeben?“

Dies kann gelingen, so Nehrke, indem man auf eine stärkere Verbindung und Durchdringung der verschiedenen CarSharing-Varianten setzt. Auch dafür bietet die Studie einige wichtige Hinweise.

Kombiniertes CarSharing hat eine hohe verkehrsentlastende Wirkung

In die Vergleichsstudie wurde auch ein CarSharing-Anbieter einbezogen, der stationsbasierte und free-floating Fahrzeuge aus einer Hand anbietet. Wie sich zeigt, ist die verkehrsentlastende Wirkung dieses Anbieters ähnlich hoch, wie die der rein stationsbasierten Systeme: Die Quote autofreier Haushalte beträgt hier 78 Prozent, die Zahl der Pkw pro 1.000 Personen liegt bei lediglich 104 und eine Mehrheit von 65 Prozent der Kunden hält das kombinierte CarSharing-Angebot für einen vollwertigen Pkw-Ersatz. Die Kombination beider CarSharing-Varianten scheint demnach die negativen Ergebnisse des reinen Free-floating aufzuheben.

Ebenfalls deutlich positiv fallen die Ergebnisse der Studie für jene Kunden aus, die bei stationsbasierten und free-floating Anbietern parallel angemeldet sind. Auf 1.000 Personen kommen hier 173 Fahrzeuge, 68 Prozent der Haushalte sind autofrei und 61 Prozent der Nutzer sehen CarSharing als vollwertigen Ersatz zum eigenen Auto. Für Verbandsgeschäftsführer Nehrke zeigt sich hier ein Rezept für die Zukunft:

„Eine möglichst tiefe Integration der CarSharing-Varianten ist offenbar ein Weg, die hohe Attraktivität des Free-floating für Neukunden mit der hohen verkehrsentlastenden Wirkung des stationsbasierten CarSharing zu verbinden.“

Große Unterstützung für den weiteren Ausbau des CarSharing

Im Rahmen der neuen Studie wurden CarSharing-Nutzer und eine Vergleichsgruppe von Nicht-Nutzern zusätzlich daraufhin befragt, ob sie einen weiteren Ausbau des CarSharing unterstützen würden. Die CarSharing-Kunden stimmen dem erwartungsgemäß stark zu (96 Prozent). Überraschender ist die Reaktion der Nicht-Nutzer: 75 Prozent geben an, eine positive oder sehr positive Einstellung dem CarSharing gegenüber zu haben. 50 Prozent der Nicht-Nutzer sprechen sich darüber hinaus für einen weiteren Ausbau des CarSharing aus. Das ist besonders bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass die große Mehrheit der befragten Nicht-Nutzer (76 Prozent) selbst ein eigenes Auto besitzt. Trotzdem stehen lediglich 18 Prozent einem Ausbau des CarSharing offen ablehnend gegenüber. Der Bundesverband CarSharing sieht in diesen Zahlen einen Hinweis darauf, dass die Einrichtung von CarSharing-Stationen im öffentlichen Raum auch in Stadtteilen mit hohem Parkdruck - zu denen alle Untersuchungsgebiete der Studie eindeutig gehören - mehrheitlich auf Zustimmung der Bewohner stoßen würde.

 

Download

PDF: PM Entlastungsleistung der CarSharing-Varianten.pdf

Studienergebnisse: Carsharing Varianten entlasten Städte unterschiedlich

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Bundesverband CarSharing e. V. (bcs)
Annette Littmeier
Schönhauser Allee 141 B
10437 Berlin
Telefon: 030 - 92 12 33 53
E-Mail: annette.littmeier@carsharing.de

 

Kurzinfo über die bcs-Studie und das Projekt STARS: STARS ist ein von der Europäischen Union im Rahmen des Förderprogramms Horizon 2020 gefördertes Forschungsprojekt. Dem STARS-Projektkonsortium gehören unter anderem an: Universität von Turin, Universität Göteborg, Universität Cardiff, Freie Hansestadt Bremen, der belgische CarSharing-Verband Autodelen sowie der Bundesverband CarSharing e.V. Die Vergleichsstudie des Bundesverband CarSharing e.V. „Nutzer und Mobilitätsverhalten in unterschiedlichen CarSharing-Systemen“ ist ein Teilprojekt von STARS. Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 1.122 CarSharing-Kunden und 185 Nicht-Kunden befragt. Die Studie bezieht sich auf drei definierte Untersuchungsgebiete in den Städten Frankfurt am Main, Köln und Stuttgart. Bei diesen Gebieten handelt es sich um innenstadtnahe Wohnquartiere mit einer für die jeweilige Stadt besonders guten CarSharing-Verfügbarkeit und einem besonders dichten Angebot von Verkehrsmitteln des Öffentlichen Personennahverkehrs. Die Quartiere zeichnen sich durch einen hohen Parkdruck und eine hohe Konkurrenz in der Nutzung des Straßenraums aus. Die Studie wurde im Mai und Juni 2018 als Online-Befragung durchgeführt.

Kurzinfo über den bcs: Der Bundesverband CarSharing e.V. (bcs) wurde 1998 gegründet. Er ist der Dachverband der deutschen CarSharing-Anbieter. Der bcs fördert CarSharing als moderne Mobilitätsdienstleistung und strebt eine Vernetzung mit dem öffentlichen Nahverkehr an. Ziel des Verbandes und seiner Mitglieder ist es, den Autobestand und Autoverkehr zu vermindern und die Umweltbelastung durch den Individualverkehr zu verringern. Der Bundesverband CarSharing (bcs) vertritt die politischen Interessen der Branche auf bundesweiter Ebene und gegenüber den Ländern. Im Bundesverband sind derzeit 150 Anbieter organisiert.

Kurzinfo über das CarSharing: Im deutschen Carsharing haben sich zwei Varianten etabliert: Beim stationsbasierten CarSharing stehen die Autos möglichst wohnortnah auf einem festen Stellplatz. Kunden holen den Wagen dort ab, nach der Fahrt bringen sie ihn dorthin zurück. Nur bei dieser Variante sind Reservierungen mehrere Wochen im Voraus möglich. Stationsbasiertes CarSharing ist außerdem die preisgünstigste CarSharing-Variante. Die größten deutschen Anbieter sind: stadtmobil, cambio, teilAuto, Flinkster, book-n-drive.

Bei der zweiten Variante, dem free-floating CarSharing, stehen die Autos irgendwo in der Stadt, frei geparkt. Nutzer orten und buchen sie über das Smartphone. Nach der Fahrt stellen sie den Wagen irgendwo innerhalb des Nutzungsgebiets wieder ab. Diese Variante ist nur in einigen großen Städten zu finden. Reservierungen im Voraus sind nicht möglich. Free-floating ermöglicht jedoch One-way-Fahrten innerhalb eines definierten Bereichs im Stadtgebiet. Die Preise liegen über denen des stationsbasierten CarSharing. Die größten Anbieter sind car2go und DriveNow.

In letzter Zeit haben sich auch kombinierte CarSharing-Angebote etabliert, die stationsbasierte und free-floatende Fahrzeuge aus einer Hand anbieten. Kombinierte Angebote gibt es beispielsweise in Hannover, Karlsruhe, Mannheim und Heidelberg (stadtmobil), Frankfurt am Main (book-n-drive) und Leipzig (teilAuto).

Derzeit verfügen 677 Städte und Gemeinden in Deutschland über mindestens ein CarSharing-Angebot. In allen diesen Orten sind stationsbasierte CarSharing-Angebote verfügbar, während reine free-floating Angebote nur in 12 deutschen Städten vertreten sind.